Emotionen in der Kita Raum geben –
Partizipation fühlbar werden lassen
Fachtext von Michél Murawa, Berater für Partizipation im Modellprojekt „Der Teilhabe-Rabe und die Schatzkiste frühkindlicher Demokratieerfahrung“
„Die Persönlichkeit der Pädagog:innen ist ein wichtiges Bildungswerkzeug“, hält Stella Valentien in der Fachzeitschrift kindergarten heute (1_2024, S. 39) hinsichtlich der emotionalen Entwicklung von Kindern fest. Die Fachkräfte sind Persönlichkeiten mit Emotionen – im persönlichen Handeln, im Teamkontext und in der Begegnung mit den Familien. Dabei wirken sie immer auch als Vorbilder.
In einer Kita, die ihnen Rückzugsort und Freiraum zugleich sein soll, ringen die Kinder täglich mit ihren Gefühlen. Diese können sehr stark und auch überfordernd sein und sich nicht mehr allein „einfangen“ lassen. Dann sind die Fachkräfte gefordert, Hilfe anzubieten, um einen geeigneten Umgang mit diesen Emotionen zu finden. Wie kann das im herausfordernden Praxisalltag aussehen?
Raum für Emotionen im Kita-Alltag
Eigene Darstellung nach: Valentien (2024), S. 39
Kindliches Lernfeld: Gefühle (an-)erkennen und steuern
Sicher hat auch uns Fachkräfte schon einmal eine Emotion ganz ordentlich durchgeschüttelt. Selbst uns fällt es in solchen Momenten wahrscheinlich nicht immer leicht, sozial angemessen zu reagieren. Dass wir es aber in den meisten Fällen dennoch können, hängt mit einem Areal in unserem Gehirn zusammen: dem sog. präfrontalen Cortex. Voll und gesund entwickelt und mit entsprechenden Lernerfahrungen unterlegt, ermöglicht er uns Kompetenzen für die Bewältigung solcher
„Gefühlsausbrüche“. Friedl (2018) fasst diese Fähigkeiten wie folgt zusammen:
- Arbeitsgedächtnis: Ist es gut ausgeprägt, können sich Kinder Regeln einprägen oder auch eine an sie gestellte Aufgabe selbständig bearbeiten und erledigen.
- Impulskontrolle: Mit dieser ausgestattet, kann das Kind spontane Reaktionen und Regungen vor der Ausführung noch einmal überdenken und überlegt handeln.
- Flexibilität: Geistig flexibel sind die Kinder dann, wenn sie die unterschiedliche Perspektiven auf eine Situation einnehmen können und sich an neue Anforderungen schnell anpassen.
Das Erlernen von Bewältigungsstrategien im Umgang mit starken Emotionen setzt verständnisvolle und geduldige Gegenüber voraus. Denn vor den ersten Kontrollerfahrungen mit Gefühlen liegen viele, in denen sich die Kinder ihren inneren Regungen ausgesetzt fühlen.
Dafür braucht das Kind in groben Zügen diese drei Lernschritte:
Umgang mit Gefühlen auf Bildkarten
Im Lernfeld der Gefühle bieten Bildkarten den Kindern Anlässe für Gespräche über Gefühle, ohne dass sie den körperlichen Folgen von realen Gefühlsregungen unmittelbar ausgesetzt sind. Alles kann in geschütztem Rahmen und in Ruhe erfolgen – anders als in einer realen Gefühlssituation, die sehr stressig sein kann. Empfohlen werden Darstellungen von Menschen, auf denen Augen inkl. Augenbrauen und Mund gut erkennbar sind. Darstellungen von Situationen sollten bestenfalls zum Kita-Alltag passen oder auf diesen bezogen werden.
Bildkarten (z.B. aus der „Beteiligung-Schatzkiste“) sind vielfältig einsetzbar. Sie können einerseits genutzt werden, um einen Gefühlwortschatz anzuhäufen: Welche Gefühle zeigen die Bilder? Später können sie Pantomime anregen. Dazu werden sie z.B. verdeckt ausgelegt und das Kind, das sie aufdeckt, stellt den Gefühlsausdruck nach. Die anderen Kinder sind nun gefragt, das gezeigte Gefühl zu erraten. Als Gefühls-Roulette wäre auch eine Flaschendrehen-Variante denkbar. Zeigt die Flasche auf eine Bildkarte, sind die Kinder an der Reihe, das Gefühl pantomimisch nachzustellen und zu benennen. Auch im Rahmen eines Stopp-Tanzes können die Bildkarten zum Einsatz kommen. Während der Bewegung zur Musik wird eine Karte gut sichtbar hochgehalten. Alle Kinder rufen nun – mit stimmlicher Betonung – den Namen der Emotion und zeigen sie unter Einsatz ihres ganzen Körpers. Eine von den Kindern selbst getroffene Auswahl an Bildkarten kann auch zum Ausgangspunkt für ein Mini-Gefühls-Theater werden. Darin tauchen dann die gewählten Gefühle auf. Die übergeordnete Geschichte dazu können die Kinder (ggf. mit Unterstützung der Fachkraft) aus ihrem Alltag bzw. aus ihnen bereits bekannten Erzählungen abgeleitet werden. Bildkarten, die Gefühle in einer bestimmten Alltagssituation zeigen, bieten Anlass für das Nachdenken über die guten Gründe für Gefühle und was als nächstes (also im Anschluss an die gezeigte Szene) passieren könnte. Von den Kindern selbst gestaltete Gefühlskarten (z.B. Fotos) schaffen die stärkste Verbindung.
Handlungsoptionen nach: Valentien (2024), S. 40f.
Machen wir uns klar: Die Beteiligung von Kindern (z.B. an Entscheidungsprozessen in der Kita) ist mit Emotionen verbunden – daher ist es bedeutsam, dass Kinder Worte für ihre Gefühle haben und wissen, dass sie Unterstützung erfahren auf ihrem Weg, den Umgang mit Gefühlen zu lernen. Als pädagogische Fachkräfte sind Sie gefühlvolle Vorbilder.
Weitere Informationen und Literatur
- Valentien, Stella (2024): Über Gefühle mehr wissen. In: kindergarten heute, 1_2024, 54. Jg., S. 38f.
- Friedl, A. (2018): Wut hat einen kurzen Schaltkreis. Emotionale Entwicklung. Online abrufbar unter:
https://www.herder.de/es/themen-und-ideen/konflikte-herausforderungen/wut-hat-einen-kurzen-schaltkreis/
Das Zusammen wirkt.