Vom Faultier, das wieder zu sich findet
Eine Klang- und Geräusche-Geschichte von Michél Murawa,
Berater für Partizipation im Modellprojekt „Der Teilhabe-Rabe und die Schatzkiste frühkindlicher Demokratieerfahrung“
Jedes Mal wenn eines der Tiere aus unserer kleinen Geschichte hier beim Namen genannt wird, lassen wir gemeinsam das dazu passende Instrument erklingen oder geben ihm ein eigenes Geräusch.
Jedes Kind entscheidet sich für das Tier, welches es spielen möchte. Gibt es mehrere Interessierte an einer Rolle, wird gemeinsam z.B. ein abwechselnder Einsatz oder ein zweiter Durchlauf mit veränderten Rollen vereinbart. Vielleicht fallen den Kindern aber auch noch andere Lösungen für diese Überbesetzung ein. Auch die Instrumente und Geräusche können von den Kindern abweichend vergeben werden. Bei den angegebenen handelt es sich um Vorschläge.
Da hätten wir:
- Fanny oder Fahad (arabisch, u.a. der Entschlossene), das Faultier – wenn Instrumente vorhanden: Xylophon; wenn nicht: Gähn-Geräusche
- Alex oder Afini (hebräisch, u.a. die Funkelnde), der Affe – wenn Instrumente vorhanden: Klangstäbe; wenn nicht: Arme einrollen und Finger unter die Achseln führen plus: „Ah-Uh-Ah“
- Noel oder Nasrin (persisch, wilde Rose), der Nasenbär – wenn Instrumente vorhanden: Trommel; wenn nicht: an die Nase fassen plus (mit zusammengedrückter Nase): „Nö-Na-Nu“
- Flori(s) (der*die Prächtige), die Fledermaus – wenn Instrumente vorhanden: Triangel; wenn nicht: Flügelschlag imitieren plus: „Flitter-Flotter-Flatter“
- Sharon (die Ebene) oder Shane (der*die Gnädige), die Schlange – wenn Instrument vorhanden: Rassel; wenn nicht: Arm um die Schultern legen plus: „Sch-sch-sch“ (oder Zisch-Laute)
Nun lasst uns alle zusammen genau zuhören, was da eigentlich los ist im Regenwald und was das Faultier denn verloren hat.
Wie alles begann
Die Mittagssonne schien durch das Blätterdach des Regenwaldes. Fanny, das Faultier, hing in ihrem Baum an ihrem Lieblingsast nur ein paar Meter über dem Boden und schlummerte vor sich hin. Plötzlich raschelte es im Baum über ihr und zack: eine riesige Papaya fiel ihr auf den Kopf und landete dann auf dem Urwaldboden, wo sie zerbrach.
Habt ihr schon mal eine Papaya gesehen oder sogar probiert? Wie sieht sie aus?
Da war die Mittagsruhe aber sehr unsanft beendet! Fanny rieb sich jammernd den Kopf: „Autsch“ [langsam gesprochen], schaute kurz nach oben, ob da wohlmöglich gleich noch etwas herunterkommen würde. Erst einmal schien sie sicher und schüttelte den brummenden Kopf. Irgendwas war anders: „Wo bin ich und wer bin ich überhaupt?“ Fanny hatte wohl von dem Schlag ihre Erinnerung daran verloren, welcher Tierart sie angehörte. Sie war aufgeregt und wollte sofort herausfinden, was für ein Tier sie war. Aber auch wenn sie sich nicht daran erinnerte: Als Faultier konnte sie sich nur ganz langsam bewegen. Für 100 Meter, also mehr als 250 Kinderschritte, benötigt Fanny eine gute halbe Stunde.
Wisst ihr, wie lange das ist? Was schafft ihr alles in einer halben Stunde?
Die Reise durch den Regenwald beginnt
Aber sie wollte unbedingt auf ihrem Weg durch den Regenwald herausfinden, wer sie war, bevor ihr die Papaya auf den Kopf gefallen war. So schnell sie konnte, rannte sie also los. Schon am nächsten Baum begegnete sie einem Waldbewohner, der sich sogleich vorstellte: „Hallo, ich nenne mich Alex und bin ein Affe. Und wer bist denn du?“ Fanny konnte ja nur ihren Vornamen nennen: „Mein Name ist Fanny. Leider weiß ich gerade nicht mehr über mich. Ich wurde am Kopf getroffen und erinnere mich nicht mehr, was für ein Tier ich bin und in was für einem Wald ich hier bin.“ Sie schaute Alex dabei sehr traurig an. Der hatte eine Idee: „Es kann ja sein, dass du auch ein Affe bist. Wenn ich mir dein Fell so ansehe, könnte das sein. Also hier, nimm‘ eine dieser Lianen und schwing‘ dich mit mir durch das Unterholz.“ Beide griffen nach einer Liane, die von einem Baum hing. Während es dem Affen Alex spielend leicht gelang, war es für Fanny schon schwer genug, die Liane überhaupt mit ihren langen Krallen zu fassen zu bekommen. Und wer sich nicht gut festhalten kann… genau: Plumps – Fanny landete auf ihrem Hintern, wenn auch weich auf einem Bananenblatt.
Wisst ihr, an was für Pflanzen Bananen wachsen? [Hier sollte den Kindern Zeit gegeben werden, ihre eigenen Vorstellungen zu äußern, bevor eigenes Wissen der pädagogischen Fachkraft hinzugefügt wird. Es kann auch gut gemeinsam recherchiert werden: in Büchern, ein*e Expert*in befragen, im Internet…]
Daraus schloss Alex, dass diese Fanny wohl kein Affe sein konnte. Aufmunternd sagte er zu ihr: „Ich komme gern mit und wir finden gemeinsam heraus, was für ein Tier du bist.“ Alex war sehr viel schneller im Urwald unterwegs als Fanny. Er kannte sich hier gut aus, wartete aber auch immer wieder auf seine langsame neue Freundin. Auf einmal sahen sie eine lange Nase hinter einem Busch hervorschauen. Jemand fragte: „Hallo, na, wer ihr denn? Ich, ja ich, bin Nasrin Nasenbär und dies ist mein Revier.“ Darauf antwortete Alex: „Ich darf mich vorstellen: Ich bin der Affe Alex und hier siehst du Fanny. Sie hat leider vergessen, was sie ist. Wir sind hier vorbeigekommen, weil wir versuchen, das herzufinden.“ Der Nasenbär nickte und ihre Nase wippte dabei. „Vielleicht kann ich helfen. Du, Fanny, könntest auch ein Nasenbär sein, die Größe stimmt schon mal. Lass‘ uns zusammen etwas zu fressen suchen, das können wir Nasenbären nämlich ganz gut.“ Immer der Nase nach stieß Nasrin Nasenbär schnell auf ein paar Insekten, die sich in einer Spalte an einem Baum versteckten. Geschickt zwängte Nasrin ihre Nase, an der sich auch ihr Mund mit der langen Zunge befindet, hinein und ließ sich die Insekten schmecken. Für Fanny war das schwer, denn, nun ja, ihre Nase war kurz und eine lange Zunge fehlte ihr auch. Und der Spalt war einfach zu eng. Sie stellte fest: „Dass ich kein Nasenbär bin, ist dann wohl auch bewiesen.“ Zu dritt zogen Fanny, Alex und Nasrin weiter, immer auf der Suche nach der Tierart, zu der Fanny gehörte.
Die Suche geht weiter
Während Alex auf Fanny wartete, dachte er laut nach: „Du hast auf einem Ast gesessen, als du den Schlag auf den Kopf bekommen hast, richtig? Dann leben Tiere wie du offenbar auf Bäumen…“ Und Nasrin ergänzte: „Für uns heißt das dann wohl, dass wir oben suchen sollten.“ Fanny war beeindruckt davon, wie hilfsbereit Nasrin und Alex waren! Alle drei reckten ihre Köpfe in die Luft. Fanny konnte ihren Kopf bis weit nach hinten recken, was Nasrin schwerfiel und auch bei Alex seine Grenzen hatte. Da hing doch etwas von einem Baum, oder? Mit dem Kopf nach unten baumelte dort etwas, öffnete kurz die Augen und war gleich wieder eingenickt. Das sah wirklich entspannt aus, fand Fanny und hängte sich ebenfalls mit den Füßen an den Ast und mit dem Kopf nach unten. Von dem Lärm, den Fanny dabei erzeugte, wurde das andere Tier aufgescheucht, spannte seine Flügel auf und flog davon.
Na, erratet ihr, was dort neben Fanny vom Ast hing?
Genau: eine Fledermaus war das gewesen. Dass sie Flori hieß, hatte sie den dreien nicht mehr sagen können. Mit dem Kopf herab von Ästen hängen, konnten Flori und auch Fanny. Aber die Flügel fehlten Fanny ohne Zweifel. „Auch keine Fledermaus, wie schade.“ So langsam wurde Fanny wieder traurig und das obwohl sie ja zwei neue Freunde gefunden hatte und jemanden, der genauso gern von Bäumen herabhing wie sie. Und wie Fanny da so am Ast hing und sich eine kleine Träne in ihrem Auge bildete, kroch eine Schlange heran und rief aus: „Ach, hier steckst du also, Fanny! Lass‘ uns beide mal in aller Ruhe zu deinem Hausbaum zurückkehren. Dort warten alle schon mit dem Essen auf dich. Das wird dir schmecken: Es gibt wohl Papaya… Wer sind denn die beiden da bei dir?“
Da kam die Erinnerung wieder und Fanny rief: „Meine liebe Freundin Sharon! Ich freue mich so, dich wiederzusehen. Und jetzt fällt mir auch endlich wieder ein, was für ein Tier ich bin: Ein Faultier natürlich! Ich habe neue Freunde gefunden: das sind Alex der Affe und Nasrin der Nasenbär. Das war ein aufregender Tag. Ich erzähle dir alles auf dem Weg zurück – du weißt ja, mit mir dauert so ein Weg ja immer etwas länger…“
Das Abendessen wartet
Während es um sie herum allmählich dunkler wurde, bewegten sich das Faultier Fanny, der Affe Alex, der Nasenbär Nasrin und die Schlange Sharon ganz langsam zurück zu Fannys Familie. Papa Faultier lud alle noch auf einen Happen ein. Lust auf Papaya zum Abendessen hatte sie jedenfalls keine, aber vielleicht gab es ja ein paar leckere Blätter dazu.
Habt ihr eine Idee, warum Fanny keine Papaya will?
Weitere Informationen und Literatur
Diese Geschichte ist eine umfassende Abwandlung und pädagogische Ergänzung des Originaltextes von Lea Schäfer, wie er auf dem Blog von Klett Kita 2019 erschienen ist:
klett-kita.de/blog/das-fleissige-faultier-klanggeschichte [zuletzt aufgerufen am 03.09.2024]
Ergänzt wurden u.a. Geräusche als Alternative zum Einsatz von Instrumenten. Veränderungen betreffen v.a. den Lebensraum des Faultiers, zu dem die ursprüngliche Kokosnuss nicht gepasst hätte. Bei den angebotenen Namen wurde auf ein Mehr an Diversität geachtet.
Das Zusammen wirkt.